Vielleicht hast du dich als Betroffene schon oft gefragt, wieso es dir immer noch nicht wieder besser geht, obwohl doch dein Unfall jetzt schon vier Monate zurückliegt, du körperlich wieder okay bist. Oder du bist Angehörige*r/Freund*in eines Menschen, der wiederholt unter Traumafolgerscheinung leidet, sich dadurch immer mehr zurück zieht. Hier erfährst du, was bei einem Trauma im Gehirn abläuft und dazu führen kann, dass Traumatisierte Menschen darin z.B. durch Alpträume und Flahsbacks gefangen sind.
In unserem Gehirn gibt es zwei Schaltkreise oder Systeme, die uns helfen sollen, gut durch den Tag zu kommen: das hot-system und das cool-system. Das hot-system ist der Teil des Gehirns der uns mit anderen Säugetieren verbindet und hat mit der Amygdala als zentraler Schaltstelle den Auftrag unser Leben auf jeden Fall zu schützen. Hier, in deine Amygdala kommt alles, was du an Reizen (Geräuschen, Bildern, Gerüchen) wahrnimmst als erstes an und wird üblicherweise in zwei Richtungen weitgeleitet zu Hypothalmaus (Hot-System) und zum Frontalen Cortex (Cool-System). Löst nun ein ankommender Reiz in deiner Amygdala Alarm Gefahr aus, dann wird der Weg ins Cool-System, dein logisches Denken abgeschnitten: dazu ist schlicht keine Zeit, wenn es darum geht, dass du super schnell reagierst, die Bremse durch trittst, so dass dein Auto zum Stehen kommt, bevor es zum Zusammenstoß kommt. Also eigentlich eine gute Sache, die uns schützen will.
Nur hat dieses Abschalten der normalen Verarbeitungsmechanismen mit dem cool-system und unserer ganzen Lebenserfahrung, dem rationalen Wissen, einige Folgen, die die Verarbeitung von traumatischen Ereignissen erschweren. Denn zu den Gehirnregionen, die im Moment des Traumas von deiner Amygdala ausgeschaltet werden, um dein Leben zu retten, gehört auch das Sprachzentrum im Gehirn, das Broca-Areal. So entsteht das sprachlose Entsetzen bei einem Trauma, dass es den Betroffenen unmöglich macht, das Erlebte in Worte zu fassen. Traumatisierte Menschen speichern in der rechter Gehirnhälfte über das „Hot System“, zwar alle negativen Bilder, Gerüche, Emotionen, Ängste, Reize, die mit dem traumatischen Ereignis verbunden sind, doch mangels Weiterleitung ins „cool system“ fehlt die Verknüpfung mit gegenwärtigem Wissen und intellektuellen Fähigkeiten. Was das heißt lässt sich am Beispiel von Flugangst gut erklären: vermutlich sind wir uns einig, dass Fliegen heutzutage relativ ungefährlich ist, ein Absturz unwahrscheinlich ist – trotzdem kennst du sicherlich Leute die Angst haben zu fliegen, die schon der Gedanke daran panisch werden lässt, weil… Genau weil bei ihnen zu diesem Thema die Reizweiterleitung in cool-system gestört ist, intellektuelle wissen sie, dass Fliegen ungefährlich ist, aber die viel schneller Amygdala mit den Hot System sagt ihnen das Gegenteil – und so bleiben die Leute in ihrer Angst gefangen, hängen in der Notfallschaltung fest.
Okay, und wieso jetzt das mit den Panikattacken? Nun, wie du gerade gelesen hast, speichert unsere rechte Gehirnhälfte mit dem Hot-System alle Eindrücke, die mit deinem traumatischen Erleben zu tun haben: Geräusche, wie quietschende Reifen, den Aufprall, Schreie, Sirenen, Bilder wie die links Kurve, Gerüche wie Blut etc. – aber eben fragmentiert, ohne dass du daraus mangels Sprachverarbeitung ein Bild gestalten könntest. Es ist ein bisschen so, als hätte dir jemand im Moment des Traumas eine Glasscheibe auf denKopf geschlagen und die Splitter sind jetzt in dir drin. Kein schönes Bild – ich weiß. Fakt ist diese einzelnen Splitter sorgen dafür, dass deine Amygdala jetzt jedesmal Alarm schlägt, dein Leben schützen will, wenn ihr ein Reiz begegnet, der die Errinnerung an dein traumatisches Erleben wieder wachruft – unbewusst, unsteuerbar (bisher) – obwohl im hier und jetzt Monate nach z.B. deinem Unfall, gar keine Bedrohung ist. D.h. du hast dich also entschieden wieder Auto zu fahren, bis unterwegs, es läuft auch alles gut bis…du in eine links Kurve kommst, die deine Amygdala an den Unfall erinnert. Und schon bist du – obwohl keinerlei Gefahr vorhanden ist – mittendrin in einer Panikattacke oder einem Flashback, den die Amygdala löst aufgrund der noch vorhandenen Splitter in deinem Gehirn genau die selben Reaktionen aus, die dein Überleben beim Unfall gesichert haben – jetzt aber nach außen total überzogen wirken. Das Gute ist jetzt, wo du weißt, was dahintersteckt, kannst du dich a) auf solche Situationen vorbereiten und sie steuern und b) dir professionelle Hilfe holen, dann z.B. mit EMDR kann Trauma sehr gut verarbeitet und die richtige Reizweiterleitung im Gehirn wieder hergestellt werden.
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